Wenn der Blick dich anschaut: So malst du ausdrucksstarke Tieraugen
Es gibt Momente, in denen man vor einem Bild steht – und es passiert etwas. Du schaust auf dein gemaltes Tierporträt, und plötzlich hast du das Gefühl, es schaut dich zurück an. Nicht nur mit Farbe und Form, sondern mit Seele. Es ist dieser leise, magische Moment, in dem Kunst zu Leben wird. Und meistens ist es der Blick, der das auslöst. Die Augen sind das Zentrum der Emotion, die Brücke zwischen Leinwand und Betrachter.
Wenn du Tierporträts malst, dann weißt du: Fell, Federn, Muskeln – das alles ist wichtig. Aber wenn die Augen leblos sind, hilft auch das schönste Fell nichts. Der Blick entscheidet, ob dein Werk wirkt oder nicht. Es ist das, was Menschen beim Betrachten emotional berührt. Die Augen sind das Tor zur Seele – auch in der Malerei.
Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Porträt, das mich wirklich angeschaut hat. Es war ein Hund – eine Mischung aus Golden Retriever und Chaos. Ich hatte das Fell wochenlang ausgearbeitet, Schicht über Schicht Pastell aufgetragen. Aber irgendetwas fehlte. Der Ausdruck war flach, fast leer. Dann kam der Moment, in dem ich den kleinen, winzigen Glanzpunkt im Auge setzte. Und plötzlich – zack – war er da. Der Hund. Mit Seele, mit Leben. Ich hab tatsächlich Gänsehaut bekommen.
Das ist genau der Moment, den du suchst, wenn du Tieraugen malst. Und der entsteht nicht zufällig.
Ein guter Maler ist zuerst ein guter Beobachter. Wenn du Tieraugen malen willst, schau sie dir wirklich an. Nicht nur kurz aufs Referenzfoto – nimm dir Zeit. Sieh dir die Struktur an: Wo liegen Licht und Schatten? Welche Farben verbergen sich in der Iris? Wie reflektiert das Licht auf der feuchten Oberfläche?
Achte auf die Persönlichkeit deines Motivs. Ein Pferd hat einen ganz anderen Ausdruck als eine Katze. Ein Papagei schaut neugierig, manchmal fast frech. Ein Wolf wirkt intensiv, wachsam, voller Präsenz. Genau das musst du im Auge wiedergeben. Denn ein Tierauge ist nie nur eine runde Fläche mit Pupille – es ist eine Landschaft voller Nuancen.
Wenn du magst, probiere diesen Trick: Dreh dein Referenzfoto auf den Kopf. So siehst du keine „Augen“ mehr, sondern nur Flächen, Formen und Tonwerte. Das hilft enorm, weil du aufhörst, nach Symbolen zu malen („Auge = rund + schwarz + Glanzpunkt“) und anfängst, das zu sehen, was wirklich da ist.
Ein realistisches Auge entsteht in Schichten. Das gilt besonders für Pastellmalerei, denn Pastell lebt von Transparenz und Tiefe. Du kannst also wunderbar aufbauen, überlagern und Farbnuancen mischen, bis der Blick lebendig wird.
Beginne mit dem Grundton – also der mittleren Farbe des Auges. Bei Hunden ist das oft ein warmes Braun, bei Katzen Bernstein oder Grün, bei Pferden ein tiefes Dunkelbraun. Leg diese Fläche weich an, ohne zu viel Druck.
Dann kommen die Dunkelheiten. Die Pupille ist nicht einfach schwarz. Wenn du genau hinsiehst, erkennst du dort Dunkelblau, Violett, Rot oder ein tiefes Braun. Diese feinen Unterschiede machen das Schwarz lebendig und samtig statt flach. Male diese Schatten mit sanftem Druck und achte darauf, dass sie weich in die Iris übergehen.
Nun kommt der spannendste Teil – das Licht. Das ist der Moment, in dem das Auge aufwacht. Ein einziger Glanzpunkt kann ein ganzes Bild verändern. Setze ihn präzise. Am besten dort, wo das Licht die Wölbung des Augapfels trifft. Das ist nicht zufällig immer am gleichen Punkt – es hängt vom Lichtwinkel ab. Wenn du zwei Augen malst, müssen die Glanzpunkte also auf der gleichen Lichtseite liegen, sonst wirkt der Blick schielend.
Mit hellen Pastelltönen oder einem weißen Stift kannst du zusätzlich kleine Lichtreflexe im Tränenkanal oder am Lidrand setzen. Diese Details machen den feuchten, lebendigen Eindruck aus. Und keine Angst: Ein Auge darf glänzen! Nur übertreib’s nicht – ein Zuviel an Weiß macht das Tier künstlich.
Oft höre ich: „Wie bekomme ich Gefühl in die Augen?“
Ganz ehrlich? Es steckt weniger im Material als im Beobachten. Emotion entsteht durch Winkel, Licht und Intensität. Ein leicht geneigter Kopf, ein sanfter Schatten über der Pupille, ein schmaler Glanz – all das kann eine Stimmung erzeugen.
Wenn du magst, mal das gleiche Auge zweimal – einmal mit einem Lichtreflex oben links, einmal unten rechts. Du wirst staunen, wie sich der Ausdruck verändert. Ob neugierig, müde, stolz oder traurig – es sind winzige Unterschiede, die den Charakter bestimmen.
Und dann kommt das, was man nicht lernen kann, sondern fühlen muss: die Verbindung. Wenn du dich wirklich mit deinem Motiv verbindest – sei es ein Tier, das du kennst, oder eins, das dich einfach fasziniert – dann überträgt sich das in deinen Strich. Klingt kitschig, ist aber wahr.
Viele malen Tieraugen zu brav. Zu braun, zu grau, zu „realistisch“. Dabei sind echte Tieraugen ein Feuerwerk aus Farben! Schau dir mal eine Katze im Sonnenlicht an – da funkelt Grün, Gold, Blau und manchmal sogar Rosa. Und wenn du ein schwarzes Pferd bei Abendlicht betrachtest, siehst du im Auge violette und rötliche Töne.
Trau dich, Farbe einzusetzen! Ein Hauch Türkis im Schatten, ein bisschen Violett in der Dunkelheit – das verleiht Tiefe. Pastell ist hier unschlagbar, weil du Farbe auf Farbe legen kannst, ohne dass sie stumpf wird. Du kannst mit leichten Übergängen spielen, Schichten anlegen, verwischen, aufhellen – bis du das Gefühl hast: Jetzt lebt’s.
Der häufigste Fehler: Symmetrie und Perfektionismus. Kein Tierauge ist perfekt rund. Winzige Unregelmäßigkeiten machen es echt. Lass also die Form leicht variieren.
Zweiter Fehler: zu hell. Viele trauen sich nicht an Dunkelheit. Aber ohne Tiefe keine Leuchtkraft. Nur durch starke Kontraste wirkt ein Blick wirklich dreidimensional.
Dritter Fehler: zu viele Glanzpunkte. Ein oder zwei reichen völlig. Mehr wirkt unruhig und plastikartig.
Und schließlich: falsche Blickrichtung. Wenn beide Augen nicht in die gleiche Richtung schauen, ist die ganze Wirkung dahin. Kontrolliere die Ausrichtung, indem du zwischendurch Abstand nimmst oder das Bild im Spiegel betrachtest. So siehst du sofort, ob der Blick „sitzt“.
Wenn du fast fertig bist, mach eine Pause. Trink einen Kaffee, geh kurz weg. Dann komm zurück – und schau dein Bild aus drei Metern Entfernung an. Wenn dich dein Tier anschaut, dann hast du’s geschafft. Wenn nicht, prüf die Lichtpunkte. Manchmal reicht ein winziger Punkt, eine minimale Aufhellung – und plötzlich springt das Leben ins Bild.
Ich nenne diesen Moment gern den Gänsehautmoment der Malerei. Weil genau dann klar wird, dass du nicht nur Farben auf Papier gebracht hast, sondern Emotion.
Ein Tierporträt ist kein Foto. Es ist eine Interpretation, ein Gefühl. Und die Augen sind das Zentrum davon. Sie erzählen die Geschichte des Tieres: seine Sanftheit, seine Neugier, seine Stärke. Wenn du diesen Ausdruck triffst, kannst du beim Betrachter alles auslösen – Rührung, Freude, sogar Tränen.
Ein realistisches Tierauge ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis aus Technik, Beobachtung und Liebe zum Detail. Und genau das unterscheidet ein schönes Bild von einem ausdrucksstarken Tierporträt, das man nicht vergisst.
Also: Trau dich, genau hinzusehen. Mal mit Gefühl. Und hab Geduld – denn manchmal braucht es viele Schichten, bis dieser Blick dich wirklich anschaut. Aber glaub mir: Wenn es passiert, wirst du wissen, warum du malst.
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ÜBER DEN AUTOR

Andreas Stolz
Leidenschaftlicher Naturliebhaber und begeisterter Natur- und Tiermaler mit Pastellkreide
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